„Denn was für das Dichterdasein gilt, gilt in gewissem Maße auch für das Leben jedes einzelnen Menschen. Das heißt, der Dichter lebt nicht poetisch, indem er ein poetisches Werk schafft, denn wenn es nicht in einem bewussten und inneren Bezug zu ihm selbst steht, hat sein Leben nicht die innere Unendlichkeit, die eine absolute Bedingung für das poetische Leben ist, sondern er lebt nur dann poetisch, wenn er selbst in der Zeit, in der er lebt, orientiert und damit mit ihr integriert ist, und damit, in der Aktualität, zu der er gehört, positiv frei ist. Aber jeder kann auf diese Weise poetisch leben. Aber die seltene Gabe, das göttliche Glück, das poetisch Erlebte sich selbst poetisch gestalten lassen zu können, bleibt freilich das beneidenswerte Schicksal der wenigen Auserwählten.“ Søren Kierkegaard, Der Begriff der Ironie
Das obige Zitat kann als Quintessenz des 3.3 Integrativ denkenden Geistes gesehen werden – eine Idee der Ganzheit oder Totalität, symbolisiert in der Idee des Poeten, die von Kierkegaard so eindrücklich geschildert wird, integriert sowohl den differenzierenden 3.2 Dynamischen agentischen Geist als auch den adaptiven 3.1 Externalisierenden rezeptiven Geist zu einem sich dynamisch bewegenden Ozean, d.h. in diesem Fall die Integration persönliche Innerlichkeit – Agens – und zeitgenössische Äußerlichkeit – Rezipiens.
Es ist ein Stadium voller Sensibilität für Mitgefühl und Schönheit, nach dem selbstgerechten Streben der individuellen und kollektiven Agenten des Dynamischen Geistes, und der wahre Geburtsort der menschlichen, nicht göttlichen Liebe, was bedeutet: dass reine Liebe und Glückseligkeit nicht mehr in der Sphäre des Mythopoetischen, an Gott oder die Idee des Guten gebunden sind, sondern charakteristisch für unsere ureigene menschliche Natur und eine Quelle als Identität geworden sind, von der aus wir nach der Vereinigung aller Gegensätze streben können, die durch unseren einzigartigen Ausdruck des Bewusstseins selbst geschieht, das uns in jener transzendentalen Kreativität erdet, die in der Lage ist, beide Ausdrücke, den eines jeden Agenten und den eines jeden Empfängers, gleichzeitig zu halten.
Verortung im Stufenspektrum
Bis heute gibt es keine einzige empirische Beschreibung, die perfekt auf diese Stufe passt. Man kann mutmaßen, dass sie zum Teil von Susanne Cook-Greuters Beschreibung der Unitären Stufe sowie von Terri O`Fallons 6.0 Universeller Stufe abgedeckt wird, obwohl vieles, was auf dieser Stufe auftritt, besser in die Beschreibung von Cook-Greuters Konstrukt-Bewusstem und den 5.0 und 5.5 Transpersonalen Stufen, wie sie von O`Fallon dargestellt werden, passt. Ein weiterer, weniger empirischer Versuch, diese Stufe zu definieren, findet sich in Jürgen Habermas‘ Moralbewusstsein und Kommunikatives Handeln, nämlich in seiner Beschreibung der Moralstufe 6, die sich mit der Überwindung des Individuums hin zum Diskurs und zu einer diskursiven Ethik beschäftigt.
Eine der Schwierigkeiten, diese Stufe zu definieren, liegt in der Seltenheit ihres Auftretens. Obwohl sie im 17ten und 18ten Jahrhundert den intellektuellen Diskurs zu beherrschen schien und in den 1970er und 1980er Jahren durch die Vorlesungen von Michel Foucault berühmt wurde, wird sie immer noch nur von einer kleinen Minderheit verkörpert, die wahrscheinlich weniger als 1 % der akademisch ausgebildeten Bevölkerung im Westen ausmacht.